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Nach ihrem Wuppertaler Kollegen Prezident kehren nun auch die Brüder Antagonist und Mythos den Free-Downloads den Rücken zu und vertreiben ihr 3. Album „Kleiner Vogel“ nun endlich auch als CD und Vinyl. Einst unter den Fittichen ihres Vorbilds sind die Kamikazes inzwischen zu eigenständigen Künstlern herangewachsen, was durch eine stetig wachsende Fangemeinde bestätigt wird. Dies liegt womöglich auch daran, dass die Beiden erst kürzlich Support der szeneintern bekannten „Kapitalismus Jetzt“-Tour von Hiob & Morlockk Dilemma waren. Wem die beiden noch kein Begriff sind, dem sei die Review zu „Königsmische“ unseres geschätzten Kollegen SirPreiss ans Herz gelegt.

Mit 11 Anspielstationen erscheint das Album auf den ersten Blick etwas kurz, allerdings wird auch auf explizites Intro/Outro oder nervige Skits verzichtet, was das Ganze wiederum relativiert.
Als Opener fungiert der Track und Namensgeber des Albums Kleiner Vogel, welcher schon Ende letzten Jahres in Form einer Videoauskopplung released wurde. Sowohl Text als auch Beat sind richtungsweisend für die düstere Grundstimmung, die sich durch das ganze Album zieht.  Den Zenit des Ganzen erreicht der Track durch die Cuts von DJ KB, welcher sich an NMZS-Vocalsamples bedient, dessen Selbstmord im letzten Jahr die deutsche Untergrundszene schwer erschüttert hat.

 

„Ich kenn nur Unbehagen unter euch Untertanen
Hungern nach allem, was uns untersagt ist unter’m Bundesadler
Umtreiben auf verschlungenen Pfaden
Missetaten für die es Grund gibt, keinen Grund mehr zu haben“

Thematisch schwebt das Album wieder zwischen Selbstreflexion, Drogenkonsum und dem Versuch des Zurechtfindens in der Gesellschaft und unterscheidet sich im Wesentlichen nicht großartig von den Vorgängern, allerdings wurde die typische Kamikazes-Atmosphäre auf ein neues Level gehoben. Die Texte wirken trotz vieler Ellipsen und anderer Stilmittel durchdachter, die musikalische Untermalung, die bis auf zwei Produktionen von Jay Baez, sowie einer von Epic Infantry aus dem Hause der Brüder stammt, ist immer noch bewusst minimalistisch, aber viel besser ausproduziert als noch vor 3 Jahren. An dieser Stelle sei auf die zweite Videoauskopplung hingewiesen, welche beispielhaft für das ist, was man auf dem Album erwarten kann:


 

„Fahnenflucht, Grasgeruch, Zittern wie Parkinson
Von der Morgensonne in den Arm genommen[…] leben, als wär zu leben nichts wert
Rauchen wie ein Schlot, trinken wie ein Pferd“

Auf den Tracks „Mythos“ bzw. „Antagonist“ hören wir die beiden Rapper erstmals jeweils alleine in einer Art Selbstvorstellung, um anschließend auf „Folie à deux“, meinem persönlichen Favoriten, tief in die Problematik  zwischenmenschlicher Beziehungen einzudringen, wie der Titel schon ahnen lässt.

„Die Wut kocht in mir, so wie mit 15
nur etwas schlimmer, dafür besser begründet
und ich wollt‘ doch längst kein Scheiß-Kiffer mehr sein
meine 4 Wände wickeln mich ein
Es macht mich bitter, wenn sie bitterlich weint
Nur Spott für das, was sie mich bittet zu sein
Und ich schwitze 60 Liter, rauche 100 Kippen
hör die Tür, press nen Kuss auf zusammengepresste Lippen
Nicht zu wollen, nichts zu richten, verraucht und verblichen
Es kostet Kraft, dir ins Gesicht zu blicken“

Darauf folgt mit „Cousine des Todes“ eine perfekte Hymne für schlaflose Nächte, garniert mit Zitaten aus den Prezident-Tracks „Was lange gärt“ und „Bukowski, wie er grade Blumen pflückt“.
Selbiger ist auf den Tracks „Origami Flip“ und „Nix muss“ ein mehr als würdiger Feature-Partner und harmoniert perfekt mit den Brüdern, was die drei allerdings schon auf zahlreichen vorherigen Kollaborationen unter Beweis gestellt haben.

 

„Bei uns geht juvenile Ignoranz direkt in Altersstarrsinn über
best of both worlds – Prezi, Kamikaze Brüder“

„Schneckenhaus“ bildet als letzter Track des Albums einen Rahmen und eignet sich gut als Outro. „Es ging uns darum, alles, was auf den restlichen Tracks so rausgehauen wurde, wieder einzufangen und in geballter Ladung in uns rein zu fressen“

Wir haben hier wieder wie bei den Vorgängern eine Symbiose aus düsteren, oft minimalistischen Instrumentals, tiefsinnigen und persönlichen Texten mit verschiedenen Interpretationsmöglichkeiten und Filmsamples, die sich perfekt in das Gesamtprodukt einbetten. Das Album hat einer Meinung nach keine herausstechenden Hoch- oder Tiefpunkte, sondern funktioniert nur als atmosphärisches Ganzes.

Die Frage nach dem Albumtitel wird allerdings nicht endgültig geklärt. Der Erklärungsversuch von Antagonist:

“Kleiner Vogel heißt, den Wahnsinn in die gute Stube bitten.”

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Tracklist:

1. Kleiner Vogel (prod. v. Kamikazes; Cuts v. Dj KB)
2. Nix muss (mit Prezident; prod. v. Epic Infantry; Cuts v. Dj KB)
3. Fallen Summer (prod. v. Kamikazes)
4. Schlüsselreize (prod. v. Kamikazes)
5. Mythos (prod. v. Kamikazes)
6. Antagonist (prod. v. Kamikazes)
7. Folie a deaux (prod. v. Kamikazes)
8. Cousine des Todes (prod. & Cuts v. Jay Baez)
9. Origami Flip (mit Prezident; prod. & Cuts v. Jay Baez)
10. Grandhotel Abgrund (prod. v. Kamikazes)
11. Schneckenhaus (prod. v. Kamikazes)

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