spaßkeinspaßfinal

Hiermit möchte ich eine neue Rubrik und den damit einhergehenden inhaltlichen Umschwung bei Daily Rap einleiten. Keine Sorge, es wird nicht weniger und alles weiterhin geben wie gewohnt. Es kommt nur etwas interessantes und notwendiges dazu. Bisher ging es hier um Musik die mir Spaß macht, ab sofort wird es aber auch Beiträge zu Veröffentlichungen oder Themen geben, die mir keinen Spaß machen. Warum soll im folgenden erläutert werden..

Zu Beginn möchte ich Jan Wehn zitieren und auf einen Artikel seiner Kolumne  „Wehn juckt’s“ verweisen. Ende letzten Jahres bei  ALL GOOD erschienen: „HipHop-Journalismus in Deutschland hat diesen Namen 2014 so gesehen gar nicht verdient. Weil sich eigentlich ausnahmslos alle – Journalisten, Künstler und Plattenfirmen – für die kritische Auseinandersetzung viel zu gut miteinander verstehen und einen vernünftigen und angeregten Diskurs damit beinahe unmöglich machen.“

Ich empfehle den  ganzen Artikel vor meinen folgenden Ausführungen zu lesen. Er entspricht einfach der Wahrheit und die Thematik könnte von mir nicht besser dargestellt und beurteilt werden. Nichtsdestotrotz möchte auch ich mich zum angesprochenen Thema äußern und damit gleichzeitig unsere neue Rubrik starten.

Ich bezeichne mich nicht als Journalisten und ich habe an Daily Rap bisher nie den Anspruch erhoben, „professioneller“ Musikjournalismus zu sein. Zum Einen, weil Journalismus im offiziell definierten Sinne eine bezahlten Berufsgruppe darstellt (Daily Rap ist eine Non-profit Geschichte, bei der ich für die Serverkosten noch immer regelmäßig draufzahle) und zum Anderen, weil ich nie etwas in der Richtung studiert habe bzw. in irgendeiner Form bereits vorher journalistisch aktiv war. Nicht zuletzt weil dies bisher lediglich einfach ein persönlicher Blog war und ist, in dem ich mir die wenige Zeit die ich habe, hauptsächlich für den Support von meiner Ansicht nach guten und greifbaren Künstlern nehme. Ich berichtete über Musik die ich eben auch privat höre und die mir Spaß macht, über Events die ich auch besuche oder besuchen würde. In meiner eigenen zwanglosen Sprache, gerne mit Hip Hop Slang und nicht immer ganz so ernst.

Der Grund warum Daily Rap bisher fast immer nur nett war, ist also eigentlich nicht vorrangig die Nähe zur Szene. Klar habe ich mittlerweile einige Kontakte, keine Frage. Diese mögen zwar bei weitem nicht vergleichbar sein mit denen eines Jan Wehn, aber doch ausreichend um mich insoweit zu beeinflussen, dass ich meist wohlwollender über einen Künstler schreibe den ich persönlich kenne, als über einen zu dem ich keinen Bezug habe. Mit Daily Rap wollte ich einfach nur eine Community für Musik schaffen, Inspiration verbreiten und mit den Leuten das teilen, was mir gefällt. Daily Rap sollte nie ein einflussreiches, erfolgreiches journalistisches Medium werden, nie gab es kommerzielle Absichten. Immer war es real und nach Lust, Zeit und Laune gestaltet. Das hat sich mittlerweile geändert. Natürlich bleiben diese ursprünglichen Absichten Priorität, und niemand hat die Absicht ein Imperium zu bauen. Nach wie vor ist das hier vordergründig ein Hobby ohne geschäftliche Absichten. Ich will schon mittlerweile tatsächlich Daily Rap zu meiner Arbeit machen von der ich irgendwann vielleicht leben kann. Will das nicht jeder? Das machen was einem Spaß macht und davon runter beißen können? Klar, und ich werde das auf eine schöne Art machen. Mich nicht verkaufen und Meinungen vertreten oder publizieren die nicht meine sind. Keeping it real is a full time job – und so wird es bleiben. Ich will ja nicht am Honig kleben bleiben den ich anderen um’s Maul schmiere, oder Musik als Kunstform prostituieren. Wenn ich von Kommerzialisierung spreche geht es nicht mal um meine Veranstaltungen wie Rap Im Ring, die sehr viel Zeit beanspruchen. Eher um immer mehr Anfragen nach Pressearbeit, Texten, Veranstaltungsmanagement und insbesondere Marketing. Da lasse ich mich gerne bezahlen, und das muss ich auch. Aber niemals würde ich Geld nehmen damit Content von Künstler XY auf Daily Rap landet. Ich hab meine festen Meinungen und Werte, überzeugen kann man mich, kaufen nicht.

Insbesondere und „Spaß – Kein Spaß“ begründent bin ich mir mittlerweile bewusst, dass vieles von dem Wissen und den Ansichten in mir von euch kommen, und merke umgekehrt einfach immer öfter, wie viel von dem was ich sage in euch gepflanzt und von euch übernommen wird. Also lieber ehrlich sein und auch mal Kritik üben, als über Missstände und Fehler zu schweigen, nur weil sie keinen Spaß machen. Meine jetzige Ein- und Ansicht ist also folgende: Ihr als Leser dieses Blogs habt nicht nur Weiterempfehlungen und Lobeshymnen, sondern auch die kritische Betrachtung und Warnungen vor schlechteren Publikationen verdient. Die Meinung, den Geschmack oder die Werte eines anderen nicht zu teilen ist das natürlichste der Welt, aber man muss nicht immer fronten. Kex Kuhl wird gefeiert weil er mein Freund ist, Cro wird gehatet weil er in meinen Ohren furchtbare Musik macht die im Zusammenhang mit Hip Hop deplatziert ist . Mir an solchen Stellen egal, ob das objektiv ist oder nicht. Das ist mein Blog, und eure wie auch meine Meinung ist frei. Es wird auch noch ein weiterer anonymer Redakteur in dieser Rubrik mitschreiben, um mehrere Blickwinkel mit einzubeziehen. Genannt „Meph“.

Ich habe das Gefühl, vielen anderen Plattformen ist die Meinung abhanden gekommen. Meinung heißt sich mit etwas kritisch auseinanderzusetzen, also auch die dunklen Seiten einer Sache zu betrachten. Unabhängig davon, dass ich das Posten der Selfie-Video-Botschaften von Rapper XY als nicht nennenswerte „News“ ansehe (liebe Grüße an HipHop.de), aber selbst dann könnte man doch eine Meinung dazu äußern. Diese sog. „Journalisten“ hätten die PFLICHT, ihren Lesern mittzuteilen dass das der pure Bullshit ist. Aber nein, stattdessen ein liebloser Zweizeiler und die Frage Was denkt ihr darüber? Wo hat das noch mit Musik oder Journalismus zu tun? Und damit will ich jetzt nicht sagen dass ich statt Posts über ein Selfie-Video von z.B. Toony lieber eine Review über sein Album lesen würde. Nein! Der Typ ist kacke und das genau ist der Punkt: Für Klickzahlen auf der Webseite und dem Youtube Channel wird auf Qualität geschissen. Die reißerische Schlagzeile ist wichtig. Deutschrapjournalismus goes Bildzeitung. Kuckt euch nur mal die Review Abteilung bei Hiphop.de an. Was findet man da? Gamereviews ohne Ende, und zwischendurch mal eine nichts aussagende lieblos geschriebene Review zu Kommerzrapsachen, wtf? Wenn ihr gut Hip Hop Journalismus sucht, dann lest ALL GOOD!

Daily Rap erreicht eine immer größer werdende Leserschaft, und damit steigt meiner Ansicht nach auch die Verantwortung. Dieser möchte ich nun nachkommen. Ich als Publizist berufe mich nicht nur auf das Recht zu publizieren, sondern komme nun auch meiner damit verbundenen Pflicht nach, die Wahrheit und meine Meinung zu sagen, auch wenn das dem ein oder anderen Leser wie auch Künstler/Veranstalter sauer aufstoßen wird. „Phil darf jetzt nicht mehr auf die Gästeliste, der hat gesagt meine EP war scheiße..“ Nun gut, so sei es. Das tue ich zukünftig auch nicht in der Absicht jemanden in die Pfanne hauen zu wollen, sondern lediglich um Ansatzpunkte für Künstler zu schaffen sich zu verbessern, oder Konsumenten zu veranlassen weiter zu denken. Es geht nicht gegen oder für die Person dahinter, sondern nur um die Musik!

Es gibt auch einfach sehr viele Leute, die die Meinung anderer, allen voran die von großen Medien, unreflektiert aufgreifen und als eigene Meinung übernehmen. Leute die nicht wirklich einen eigenen Geschmack haben, Leute die einfach für sich noch keine eigenen Werte oder Kriterien definiert haben was Musik angeht. Schmecken tut das, was die Werbung sagt. Sie begnügen sich mit Geschichten die ihnen abhängige Berichterstatter auftischen oder Meinungen, die polarisierende Medienpersonen verbreiten. Die coolen Heads sagen dass Kollegah doof ist, also finden sie Kollegah auch doof wenn sie mit den coolen Heads down sein wollen. Wenn ich ein trendiger Hipsterboy sein will der natürlich auch diesen Rap hören muss, und Money Boy auf einmal sagt, dass MC Fitti sein Bro ist, dann feier ich den. So funktionieren viele Menschen einfach, Musik ist nur ein kleiner Teil davon. So viel was heutzutage als „dope“ betitelt wird ist künstlerisch gesehen schlichtweg anspruchslose Scheiße. Der Beat wurde ja von Dexter produziert, also preise ich den Rapper jetzt auch, weil Dexter was für ihn produziert. So läuft das oft genug, unreflektiertes Mitläufertum.

An dieser Stelle möchte ich noch Tua zitieren, der kürzlich in einem Interview mit ALL GOOD ein wenig in Rage mal Tacheles geredet hat: „Ein HipHop-Publikum ist ziemlich dankbar, finde ich. Ich glaub auch, dass man das irgendwann in einem gewissen Kontext sieht. Und irgendwann ist man so sehr in der Materie, dass man den größeren Gesamtkontext vollends ausblendet. Man nimmt gar nicht mehr wahr, dass das vielleicht nur die Paralympics sind. Man denkt auf einmal, dieser HipHop-Standard sei das, was in der Musikwelt stattfindet. Und das ist halt ein Furz. Das klingt jetzt wirklich scheiß elitär, aber bis zu einem gewissen Grad ist es halt wirklich lächerlich, was manche Rapper machen. Wo manche Rapper schon denken, sie seien krass literarische Songwriter-Genies – das ist so ein Haufen Basic-Scheiße. Ihr habt noch nie ein Buch gelesen. Ihr habt noch nie ein Instrument gespielt. Ihr könnt überhaupt nichts. Ihr. Könnt. Nichts. […] Und wie schnell Leute das gut finden, Mann. Woah, er hat 16 Takte im Takt gerappt. Über Scheiße! Halt die Fresse.“

Hip Hop ist eine Gemeinschaft, und zeichnet sich meiner Meinung nach auch durch gegenseitigen Support und Nähe zueinander aus. Das muss aber nicht heißen, dass in Ärsche gekrochen wird um alles in Harmonie zu halten oder auf allen Gästelisten zu stehen und Bemusterungstonträger abzugreifen. Ehrlichkeit und Loyalität stehen in der Wertigkeit der subkulturellen Eigenschaften doch noch ein paar Stufen höher als bedingungsloser Support und Gruppenkuscheln. Ehrliches Feedback und Kritik, ohne Angst vor Sympathie-Entzug sollte in der Verantwortung der Journalisten liegen. Das Leben ist zu kurz um wütend zu sein. Musik oft zu vielfältig und schlecht, um einfach schweigend zuzusehen..

In diesem Sinne, viel Spaß mit „Spaß – Kein Spaß“ – Wird ein Spaß, kein Spaß!

(Picture by Cepir Oner)

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